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"Kein Lesen ist der Mühe wert, wenn es nicht unterhält."                                                                                            William Somerset Maugham

Rezension - "Everland" von Rebecca Hunt

25/8/2017

 
Zwei Antarktis-Expeditionen und 100 Jahre dazwischen.
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Der Roman beginnt im April 1913 mit "eiligen Schritten am Strand". Männer von der "Kismet" sind von ihrem Kapitän ausgeschickt worden, um die drei Freiwilligen zu suchen, die diese noch unbekannte und unerforschte Insel erkunden sollten. Die Besatzung der "Kismet" hat sich verspätet. Das Schiff war nach dem Absetzen der drei Schiffsmitglieder auf der Weiterfahrt zum Versorgungsstützpunkt in einen Sturm geraten und schwer beschädigt worden. Die Reparaturarbeiten hatten über die vereinbarte Zeit angedauert, so dass mittlerweile die ewige Winternacht herrscht.   
Dinners haben sie gerade gefunden. Er lag zusammengekauert und die Arme um den Kopf gelegt unter dem umgekippten Beiboot am Strand. Und er lebt. Aber wo sind die anderen zwei?  ​
Die Geschichte fängt mittendrin an und wird mittels drei Strängen erzählt. Die Hauptgeschichte ist die Expedition in die Antarktis zu Erkundungszwecken Anfang des 20. Jahrhunderts. Hundert Jahre später startet eine zweite Expedition zu jener legendären Insel "Everland". Diese Reise befindet sich zwar in Erinnerung und auf den Spuren der ersten, doch zu biologischen Forschungszwecken an Pinguinen und Seebären. Der dritte Erzählstrang ist eher ein perfekt eingebundener Nebenstrang und sozusagen die Fortsetzung nach dem Finden Dinners am Strand.

Es hört sich etwas kompliziert an, aber Rebecca Hunt hat es raffiniert und mit einer klaren Sprache umgesetzt. Beide Expeditionen laufen parallel. Zeitgleich steigt die Spannung und es kommt jeweils zur Katastrophe. Auf der Insel als auch zwischenmenschlich. In beiden Teams sind im Vorfeld und in der Besetzung Fehler gemacht worden, dessen erste dramatische Folge der Offizier Napps der "Kismet" so beschreibt: "Die Schwachen werden nicht von den Starken getragen, sondern reißen sie mit in die Tiefe." Besonders gut gefallen hat mir die Schilderung der festgelegten Hierarchie auf einem damaligen Schiff sowie die Gegenüberstellung zur eigentlichen und vorherrschenden Rangordnung, die sich durch das Miteinander und der Charaktere ergibt.
Die Autorin geht detailliert in die Tiefe der Zustände und Seele, wenn sie beschreibt, wie sich mit der zuspitzenden Situation analog das Zusammensein untereinander verändert. Bei beiden Expeditionen. Wie sich anfängliche Strukturen aufbröseln, neu ordnen und ins Gegenteil umschlagen. Wie sich aus einer tief empfundenen Aversion dem Anderen gegenüber Abhängigkeit und Dankbarkeit entwickelt. 
Durch die sehr einfühlsamen, bildhaften und umfassenden Beschreibungen spürt man als Leser/in den Entdecker- und Forscherdrang, die Vorfreude, später die Kälte und das Unwirtliche der Region, dann die Angst, die Hilflosigkeit und am Ende den Wahnsinn.
​
Der Roman enthält neben allem, was für mich ein packender und richtig guter Roman braucht, zusätzlich Wissenswertes über Robben, Pinguine, die Antarktis, Mineralien und Fossilien einschließlich am Schluss die Erkenntnis, dass trotz modernster Ausrüstung und Wetterprognosen die Natur ihre eigenen Gesetze hat und der Mensch ihr letzten Endes wie bei der ersten Reise hilflos ausgeliefert ist.

Es passiert nicht häufig, dass ich nach einem Buch erst einmal inne halten muss.
Übrigens ist "Everland" das zweite literarische Werk der studierten Malerin, die 1979 in Coventry geboren wurde. 



​Buchinformationen:
Neuerscheinung 2017
Roman - 411 Seiten
Luchterhand Literaturverlag
ISBN: 978-3-630-87463-0

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